Wirtschaft

Fast jede vierte deutsche Biogasanlage steht in Bayern. (Foto: Fachverband Biogas)

10.05.2024

"Mit Biogasanlagen bleibt die Wertschöpfung vor Ort"

Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) über die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung und deren Politik gegen Süddeutschland

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Biogasanlagen nicht in die Kraftwerksstrategie des Bundes aufnehmen. Er erachtet sie als nicht geeignet, um zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung beizutragen. Gleichzeitig will er aber den Schleswig-Holsteinern beim Thema Biogas entgegenkommen, indem die Südquote für Biogas entfällt.

BSZ: Frau Kaniber, warum blockiert aus Ihrer Sicht das Bundeswirtschaftsministerium die Aufnahme von Biogasanlagen in die nationale Kraftwerksstrategie?
Michaela Kaniber: Das müssen Sie die Bundesregierung selbst fragen. Ich weiß nicht, was in deren Köpfen vorgeht, weil logisch zu erklären ist es nicht – nur ideologisch. Ich bin jedenfalls vom kategorischen Nein von Wirtschaftsminister Robert Habeck zur Aufnahme von Biogas in die Kraftwerksstrategie höchst irritiert und enttäuscht. Wenn die Bundesregierung meint, dass Biogasanlagen nicht geeignet sind, zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung beizutragen, liegt sie maximal falsch. Leider ist hier Herrn Habeck die eigene Partei-Agenda wieder einmal wichtiger als faktenbasierte Politik.

BSZ: Das ist man ja inzwischen gewöhnt, dass im Hause Habeck so agiert wird.
Kaniber: Gerade die dezentralen Biogasanlagen leisten doch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Energieversorgung und sorgen dafür, dass die Wertschöpfung vor Ort bleibt. Biogasanlagen schaffen darüber hinaus langfristig sichere Einnahmen für landwirtschaftliche Betriebe und dienen der betrieblichen Diversifizierung. Das muss auch in Zukunft so bleiben. Unsere Landwirte betreiben hier aktiven Klimaschutz!

BSZ: Wie viele Biogasanlagen gibt es in Bayern?
Kaniber: In Bayern gibt es derzeit rund 2750 Biogasanlagen mit einer installierten elektrischen Nennleistung von rund 1450 Megawatt. Damit steht fast jede vierte deutsche Biogasanlage bei uns im Freistaat. Wir sind damit Spitzenreiter in Deutschland bei dieser regenerativen Energie, einer Energieform, die nicht nur heimisch und umweltfreundlich ist, sondern anders als zum Beispiel Windenergie auch speicherbar.

BSZ: Wie viel Strom könnten diese Anlagen produzieren?
Kaniber: Mit Biogas wurden im Jahr 2022 allein in Bayern 7 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Das entspricht rund 8 Prozent des bayerischen Stromverbrauchs.

BSZ: Wie viele Kraftwerksneubauten in Bayern wären überflüssig, wenn man die bestehenden Biogasanlagen in die Kraftwerksstrategie einbeziehen würde?
Kaniber: Die Kraftwerksstrategie ist Zukunftsmusik, hier ist noch nichts in Stein gemeißelt. Technische Änderungen an den Biogasanlagen wird man vornehmen müssen, wenn es so weit ist. Und wie hoch der Grad der Einbeziehung ist, wird sich erst zeigen. Rechenbeispiele helfen da nur bedingt, aber es gibt dazu zwei Fakten. Zum einen werden auch die Biogasanlagen von heute schon flexibel betrieben. Um das noch zu steigern, benötigen die Anlagenbetreiber zwingend Finanzmittel vom Bund. Zum anderen entspricht die installierte Leistung aller bayerischen Biogasanlagen in etwa der von drei großen Gaskraftwerken. Aber noch mal: Grundsätzlich kann Biogas größte Flexibilität mit heimischen und regionalen Substraten leisten. Diesen Vorteil sollten wir nicht leichtfertig aufgeben.

BSZ: Wie viele neue Biogasanlagen wären in Bayern nötig?
Kaniber: Im Moment müssen wir froh sein, wenn wir die Anzahl der Anlagen auf dem jetzigen Stand halten. Jetzt kommen langsam die Anlagen in die Jahre, die Anfang der 2000er-Jahre gebaut wurden. Für die brauchen wir jetzt Lösungen. Deshalb habe ich auf der Konferenz der Agrarminister im März dieses Jahres als einen von vielen Bausteinen gefordert, dass die Vergütung für die Bestandsanlagen erhöht wird, wenn sie sich für weitere zehn Jahre bei den Ausschreibungen bewerben. Das hat die Bundesregierung versäumt. Wir können es uns einfach nicht leisten, auf bestehende Biogasanlagen zu verzichten. Wer garantiert uns, dass wir nicht wieder durch geopolitische Ereignisse, die nicht in unserer Hand liegen, in eine schwierige Versorgungslage mit Energie kommen?

BSZ: Was hat es mit der sogenannten Südquote auf sich?
Kaniber:Die Südquote ist ein kompliziertes Konstrukt im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Berechnung muss hier zwingend vereinfacht werden! Mit der Quote wird sichergestellt, dass bei den Biogas-Ausschreibungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz mindestens die Hälfte der ausgeschriebenen Leistung in Süddeutschland zum Tragen kommt. Zur Südregion werden Landkreise gezählt, die überwiegend in Bayern, Baden-Württemberg und im Süden von Rheinland-Pfalz liegen. Durch die Einführung der Südquote sollen Netzengpässe zwischen Nord- und Süddeutschland ausgeglichen werden. Das ist wichtig, weil der Bau der großen Stromleitungen noch andauert. Dass kürzlich Minister Habeck seinem Parteifreund aus Schleswig-Holstein entgegengekommen ist und angekündigt hat, einfach die Südquote für Biogas zu streichen, ist höchst bedenklich und falsch. Hier werden einzelne Bundesländer gegeneinander ausgespielt! Aber das passt ins Bild dieser Bundesregierung mit ihrer Politik gegen den Süden.

BSZ: Was fordern Sie von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck?
Kaniber: Es muss sich einiges ändern. Angefangen von einer höheren Vergütung für Bestandsanlagen braucht es zwingend auch eine spürbare Anhebung des Ausschreibungsvolumens, damit auch die Ziele erreicht werden können. Die Ausschreibung im Herbst war dreifach überzeichnet. Das darf er nicht einfach ignorieren. Wir brauchen darüber hinaus eine Erhöhung des Flexi-Bonus und ich fordere einen Klimazuschlag für die Nutzung von Gülle in Biogasanlagen. Die Bundesregierung und vor allem der für Biogas zuständige Bundesminister hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass der erneuerbare Energieträger Biogas wieder seinen Talenten entsprechend eingesetzt wird: Biogas kann Strom und Biogas kann Wärme. Biogas steht für Wertschöpfung im ländlichen Raum, für Bodenverbesserung, für den Erhalt unserer kleinbäuerlichen Struktur und ist ein weiteres Standbein für unsere Bauern. Es ist ein wahres Multitalent! Biogasanlagen leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, weil sie Treibhausgas-Emissionen reduzieren, erneuerbare Energiequellen bereitstellen und den Nährstoffkreislauf unterstützen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

Kommentare (1)

  1. Rudi Seibt vor 2 Wochen
    Da hetzt die CSU mit Unterstützung der Bay. Stsatszeitung, ok, ein CSU-Staat, wieder ideologisch aufgeladen gegen sinnvolle faktenbasierte Entscheidungen des Klimaschutzministeriums. In By sind die Biogasanalgen meist nicht an Erdgas- oder Wärmenetze angeschlossen. Sie produzieren nur Strom und haben 70% der Energie als Abfallwärme. Klimaschutz ist so nicht machbar, weil viel zu viel Umbauaufwand für zu wenig Effizienz.
    Alle Entscheidungen im BMKW sind IMMER faktenbasiert. Manche Fakten gefallen der CSU und damit den Chefs der BSZ prizipiell und daher ideologisch eben nicht. Statt sich um schnellen Fortschritt bei der Windkraft zu kümmern, den Bauern Erleichetrungen bei Agri-PV zu organisieren, beschimpft Frau Kaniber gewohnheitsmäßig die Grünen Leistungsträger, um von der eigenen Nicht-Leistung abzulenken.
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